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Tapferen Mannen und Frauen

Ich liege mucksmäuschenstill unter dem Bett auf dem Boden der Matrosenkajüte. Hier legt man sich nicht einfach so hin. Aber es ist mitten im Winter und nach der letzten Saison habe ich diese Kajüte persönlich gründlich saubergemacht. Was das angeht, kann ich also beruhigt sein.
Es ist eiskalt und durch die Gänge des Schiffes zieht sich dichter Nebel. Das ist künstlicher Rauch, den die Feuerwehr vor einer Stunde in das Schiff gepumpt hat, um die Übung so echt wie möglich erscheinen zu lassen.

Vor einem Monat sind wir mit einem Mitglied der freiwilligen Feuerwehr ins Gespräch gekommen. Er erzählte uns, dass er ständig auf der Suche nach geeigneten Orten für die dringend notwendigen Feuerwehrübungen ist. Sie mussten bereits an vielen absonderlichen Orten „löschen“. Wir wollten wissen, ob ein Passagierschiff auch ein guter Übungsort sei. Nach kurzem Überlegen fragte er, um was für eine Art von Passagierschiff es sich denn handelt und nachdem wir erklärt hatten, dass wir mit Gästen an Bord Segeltörns auf dem Watten- und Ijsselmeer unternehmen und ganze 32 Personen auf dem Schiff übernachten können, wuchs sein Interesse spürbar. Natürlich hatte die Mannschaft Erfahrung mit dem Löschen von Bränden an Bord von Schiffen, aber nicht wirklich mit Segelcharterschiffen.

Ein Termin war schnell vereinbart und die Nachbarschaft – insbesondere die Seniorenwohnanlage gegenüber von unserem Winterlager – wurde informiert. Als wir in der Dämmerung angefahren kamen und am Schiff ausstiegen, hatten wir bereits jede Menge Zuschauer: Die Bewohner der Seniorenwohnanlage hatten es sich schon mit einer Tasse Kaffee, einem Drink oder ihrer Mahlzeit von Essen auf Rädern an ihren Fenstern gemütlich gemacht. Gespannt harrten sie der Dinge, die da kommen sollten.

Und da liege ich nun mit noch vier weiteren „Opfern“ anderswo auf dem Schiff, durch die dicken künstlichen Rauchschwaden unsichtbar. Der Feueralarm gellt ununterbrochen durch das Schiff. Ich höre gedämpfte Stimmen rufen, schwere Schritte poltern durch das Schiff. Die anderen Opfer sind schnell gefunden und werden nach draußen gebracht. Aber mein Versteck ist nicht so einfach aufzuspüren, wenn man das Schiff nicht kennt. Irgendwo hinter der Gästekombüse gibt es eine kleine Tür, die zu den Privaträumen führt. Durch sie gelangt man in den „Keller“ des Schiffes, wie wir ihn nennen, wo sich die Matrosenkajüte, das Badezimmer und die Waschküche befinden. Im Sommer gelangt man durch eine geöffnete Luke auf das Roof, aber im Winter muss man durch die kleine Tür. Und das muss man wissen.

Ich befürchte, dass ich es bei einem echten Brand nicht geschafft hätte; es dauerte zu lange und der Rauch war zu dicht. Aber es brennt nicht wirklich und auf einmal höre ich, dass die Feuerwehrleute die kleine Tür entdeckt haben. Ein Lichtstrahl durchdringt die Rauchschwaden und ein Feuerwehrmann übertönt mit einer Stimme wie Dart Father den Feueralarm, als er seinen Kollegen zuruft, dass er ein weiteres Opfer gefunden hat. Ich bin froh, dass ich von dem kalten Boden wegkomme, trotzdem beschließe ich, meine Rettung mit angemessener Dramatik in Szene zu setzen.
Mit großer Mühe gelingt es meinen Rettern, mich an Deck zu bringen, wo ich von meinen Opferkollegen freudig begrüßt werde, die den Brand wahrscheinlich überlebt hätten. Und endlich schaltet der Kapitän den Feueralarm aus!

Die Feuerwehrleute waren begeistert; das war auf jeden Fall ein großer LEMO (= Lernmoment). Der Trainer hatte seine Mannschaft noch nie so begeistert erlebt. Witzig war, dass sich alle über die Lautstärke des Feueralarms beklagten. Warum wurde der dann nicht als erstes abgestellt?
Aber meine Retter mit ihren Darth-Father-Helmen haben es doch geschafft, mich, das widerspenstige und verwirrte Opfer, aus der Feuerhölle zu befreien.
Ein großes Lob an diese tapferen Männer und Frauen!!